Der Krieg gegen die Ukraine und die Klimakrise hängen zusammen. Nur wer das erkennt, wird beide Krisen – wie auch weitere in ihrem Gefolge – halbwegs erfolgreich bewältigen. Theoretisch scheint das erkannt – in der Praxis gibt es immer wieder Rückschläge.
Ende vergangenen Jahres hatte Franz Müntefering im ZDF darauf hingewiesen, dass die Regierung Merkel von Beginn an krisengetrieben gewesen sei: „In der ersten Periode von Merkel: Weltfinanzkrise, in der zweiten ging das Atomkraftwerk hoch in Japan, in der dritten kamen 1,5 Millionen Flüchtlinge, in der vierten war Pandemie.“
Die Ampelkoalition hat es mit mehreren Krisen zugleich zu tun. Die Pandemie dauert an. Russlands Angriff auf die Ukraine erschüttert die europäische Sicherheitsarchitektur. Der Krieg löst zugleich eine neue Flüchtlingswelle aus, deren erste Vorboten gerade am Hauptbahnhof in Berlin und anderswo stranden. Die Klimakrise wird nicht mehr gehen – so oder so.
Weg von der fossilen Energie
Es wird immer klarer, dass die Politik vor der Aufgabe steht, alle Krisen gleichzeitig zu denken. Sie hängen zusammen. Das kann nicht nur an Tankstelle und Heizung beobachtet werden. Aber eben auch dort. Wer Benzin und Heizöl spart oder gar meidet, heizt das Klima nicht weiter an und enthält dem Aggressor Geld vor. Anders ausgedrückt: Die Industriestaaten müssen weg von fossilen Energieträgern. Denn sie bedrohen nicht nur das globale Klima, sondern auch den globalen Frieden.
Dazu muss man sich nur ansehen, welche Länder über große Reserven an Öl, Gas und Kohle verfügen. Mit Einschränkungen zwar auch Länder wie Norwegen und die USA. Aber de facto macht der Durst auf fossile Energie abhängig von autokratischen Regimen wie Russland, Venezuela, Saudi-Arabien, den Golfstaaten und dem Iran.
USA knüpfen zarte Bande nach Venezuela
In der Theorie scheint das zwar weithin verstanden worden zu sein. In der Praxis gibt es aber blinde Flecken. Die USA verhandeln mit Venezuela über eine Aufhebung des Embargos, weil sie nun russisches Öl boykottieren. Das mag man begrüßen, weil Venezuela vermutlich Zugeständnisse in Demokratie- und Menschenrechtsfragen wird machen müssen, um mit den verhassten USA wieder ins Geschäft zu kommen. Dennoch wird so die fossile Logik perpetuiert.
Energiepartnerschaft mit Katar?
Bundesklima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck reist auf der Suche nach Gas und Öl nicht nur nach Norwegen, das im globalen Demokratie-Index seit jeher auf Platz eins rangiert, sondern auch nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Katar? War da nicht was mit der Fußball-WM und den Sklavenarbeitern? Ja, aber nach Auskunft von Habeck, der Menschenrechtsfragen natürlich angesprochen hat, habe sich die Situation mittlerweile insofern gebessert, als sie in Katar als Problem anerkannt werde. Darüber hinaus verkündete der grüne Minister und Vizekanzler, dass es ihm gelungen sei, mit Katar eine „Energiepartnerschaft“ zu vereinbaren. Das heißt: Auch Robert Habeck perpetuiert wider besseres Wissen die fossile Logik.
Wer dieses Agieren mit der schnellen Absage Habecks an ein vorläufiges Laufenlassen der drei letzten deutschen Kernkraftwerke in Relation setzt, kann schon ins Nachdenken kommen. Und: Wer wenn nicht der oft für seine transparente Kommunikation gelobte grüne Klimaminister könnte wirkungsvoll an die Deutschen appellieren, bewusst Energie zu sparen? Zwei Grad weniger in der Wohnung sowie Tempo 100 auf der Autobahn wären zwei einfache Sofortmaßnahmen, den fossilen Durst der Bundesbürger zu dämpfen.
Christian Lindner im Rückwärtsgang
Zugleich würde es den absurden Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner nach einem Tankrabatt für deutsche Autofahrer direkt konterkarieren. Der Vorstoß des FDP-Mannes bewirkte nämlich nur zweierlei: Erstens spülte er zusätzliches Spritgeld in die Kassen Russlands und der Mineralölkonzerne. Und zweitens entkoppelte er manch deutschen Autofahrer von seiner sehr wohl vorhandenen Verantwortung für die ökologischen Folgen seines Tuns.
Lindner scheint nach dem verheerenden Echo auf seinen Vorschlag jedoch inzwischen den Rückwärtsgang eingelegt zu haben. Er warnt nun in klassisch wirtschaftsliberalem Duktus vor überzogenen Erwartungen an den Staat – in diesem Fall eine gute Nachricht. Jetzt müsste er noch seine Blockade wenigstens eines vorübergehenden Tempolimits aufgeben.