Mann ohne Konsequenzen

Mathias Döpfner hält die Bundesrepublik für eine „DDR 2.0“, behindert laut Financial Times hausinterne Ermittlungen und liefert demnach auch Journalistinnen seinem Männerfreund Julian Reichelt aus. Warum das keine Konsequenzen hat.

Es ist traurig. Aber auch nur logisch. Schließlich ist der BDZV (früher Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, heute Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger) ein Arbeitgeberverband. Und verspürt als solcher keinen natürlichen Schutzreflex für seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Redaktionen. 

Dass der BDZV vergessen hat, dass sein Präsident und Springer-Vorstand Mathias Döpfner just jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Verlage in einer persönlichen Nachricht als „Propaganda-Assistenten“ geschmäht hatte und im gleichen Atemzug den wegen Machtmissbrauchs am Ende widerwillig entlassenen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt als positiven Leuchtturm dagegen stellte, ist unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass der BDZV und seine Mitglieder vergessen haben, dass Döpfner in eben jener Nachricht die Bundesrepublik als „DDR 2.0“ schmähte. So viel Vergesslichkeit bringen nicht einmal Verbandsfunktionäre auf. 

Nur Funke aus Essen löckt wider den Stachel

Zumal es ja einen Mitgliedsverlag gibt, der die Kollegen (und wenigen Kolleginnen) wiederholt auf die Causa Döpfner-Reichelt-Springer gestoßen hat: die Funke Mediengruppe aus Essen. Also ausgerechnet der Medienkonzern, der Döpfner vor einigen Jahren um einige Preziosen erleichtert, der Springer-Vorstandschef würde wohl sagen, um einige Mühlsteine entlastet hat. Es gab Zeiten, in denen die Hörzu, das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost zu den Kronjuwelen des Springer-Konzerns gehörten. In Zeiten, da sich dieser Konzern nicht mehr wie früher gegen die „DDR“ in Anführungszeichen jenseits der Mauer, sondern in sehr subjektiver Sicht längst als einsamer Mahner und Kritiker gegen die ihn nun umgebende „DDR 2.0“ wendet, ist das nicht mehr der Fall. Und der neue Eigner von Hörzu, Abendblatt und Morgenpost wirft seinem Geschäftspartner Döpfner Knüppel zwischen die Beine.

Mag sein, dass dieser das wirklich so sieht. Sicher scheint jedoch, dass die Palastrevolte beim BDZV gescheitert ist, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Eine Pressemitteilung vom vergangenen Montag, veröffentlicht nach einer Videoschalte der Mitglieder, erwähnt die Vorgänge um den BDZV-Präsidenten mit keiner Silbe.

Nach Ippen Investigativ und New York Times ermittelt nun die Financial Times

Die Ergebnisse des mittlerweile vom Verleger gegangenen Ippen-Rechercheteams und der New York Times vom vergangenen Herbst wirken zwar nach. Aber selbst die jüngsten Veröffentlichungen der Financial Times aus London, die unter anderem davon spricht, dass Döpfner in der Causa Reichelt zum geheimdienstlichen Gegenangriff gegen innerbetriebliche Zeugen geblasen hat, scheint die Mehrzahl deutscher Zeitungsverleger nicht zu irritieren. Obwohl hier mit Fug und Recht von „Stasi 2.0-Methoden“ gesprochen werden könnte. Wenn zum Beispiel Julian Reichelt offensichtlich die Namen der (hierarchisch untergebenen) Kolleginnen erfahren hat, die sich unter Zusicherung von Anonymität über ihn beschwert hatten. 

Noch unangreifbarer als beim BDZV ist Döpfner im eigenen Haus. Was wenig verwundert, denn Döpfner ist ökonomisch hochgradig mit dem Berliner Medienkonzern verquickt. Wenn er nicht alles hinwirft, kann er de facto nur gemeinsam mit ihm untergehen. Er hält als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE nach mehreren Verkäufen und Schenkungen seitens der Verlegerwitwe Friede Springer 21,9 Prozent der Aktien; darüber hinaus nimmt er Friede Springers Stimmrechte an deren verbliebenen 22,5 Prozent wahr. Weitere sieben Prozent gehören anderen Mitgliedern der Verlegerfamilie; 35,6 Prozent hält die US-Beteiligungsgesellschaft KKR, 12,9 Prozent liegen beim kanadischen Pensionsfonds CPPIB.

Springer halten weder Ochs noch Esel auf

Wie also weiter? Mittlerweile ist es unwahrscheinlich, dass es überhaupt Konsequenzen gibt. Beim BDZV herrscht Schwamm-drüber-Mentalität und bei Springer ist Döpfner kaum angreifbar. Siehe oben. Ein Mann ohne Konsequenzen. Springers (und Döpfners) publizistische Speerspitzen Welt und Bild dürften weiterhin ihren ganzen Furor gegen aus ihrer Sicht missliebige Tendenzen der liberalen Republik richten. Oder um mit Döpfner zu sprechen, gegen die „DDR 2.0“. Derzeit noch zu besichtigen in dem Stück, das seit Anfang 2020 unter den Überschriften „Corona“ und „Freiheit“ gegeben wird. Wie es dabei manch weiblichen Kolleginnen im Hause Springer ergeht, wird wohl weiter nur recht selten publik.

Frank Behrens

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