Die Metaebene ist immer dann hilfreich, wenn man nichts zur Sache selbst sagen will. Oder sagen kann. Ich kenne mich da aus, habe ich doch viele Jahre lang die Metaebene betrachtet und beschrieben – für Magazine der Medien- und Kommunikationsbranche. Das Prinzip: Man schreibt nichts über, sagen wir, die Biobranche, Biolandwirtschaft und Biolebensmittel. Sondern über deren Kommunikation. Das geht im Grunde mit allen Themen.
Besonders gut geht es mit der Politik. Denn da ist die Kommunikation von Vorhaben und Entscheidungen die halbe Miete. Mindestens.
Versuchen wir es also mit den Plänen der Berliner Politik, eine allgemeine Impfpflicht gegen das SARS-CoV-2-Virus einzuführen. Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 hatte die damalige Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel beteuert, keine Impfpflicht einführen zu wollen. Die Kehrtwende kam im Herbst 2021, als sich abzeichnete, dass sich nicht genügend Bundesbürger freiwillig gegen das Virus impfen lassen würden. Jedenfalls nicht genügend, um einer Herdenimmunität auch nur nahe zu kommen.
Den Teufelskreis aus Lockerung und Lockdown durchbrechen
In Verbindung mit steigenden Infektionszahlen in der sogenannten Vierten Welle, getrieben von der Delta-Variante des Virus und der plötzlich auftauchenden Erkenntnis, dass eine doppelte Impfung nicht dauerhaft reichen würde, reifte in vielen Politikern die Erkenntnis, dass eine Impfpflicht wohl nicht zu umgehen sei. Zumindest dann nicht, wenn man irgendwann den Teufelskreis aus Lockerung und Lockdown durchbrechen wollte.
Und es gab noch einen weiteren Ansporn: Der kleine Bruder Österreich war bereits einen Schritt weiter und brachte das Gesetz zur allgemeinen Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 im Dezember durch den Nationalrat. Die Impfpflicht soll dort nun ab Februar gelten. Mittlerweile gibt es dort Zweifel, ob nicht selbst das zu spät kommt im Kampf gegen Omikron.
In Deutschland wechselte im Dezember erst einmal die Regierung. Doch sowohl die alte Bundeskanzlerin als auch der neue Bundeskanzler waren der Meinung, dass jetzt auch in der Bundesrepublik die Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 her müsse.
Und Bundeskanzler Olaf Scholz ging noch einen Schritt weiter. Er machte noch vor Amtsantritt klar, dass er eine solche Impfpflicht so schnell wie möglich wolle: Anfang März oder gar Ende Februar.
Und hier liegt der Kommunikationsfehler. Möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit gegen das Virus zu impfen, ist das Eine. Eine Impfpflicht einzuführen etwas ganz anderes. Nicht zuletzt aus kommunikativer Sicht. Stimmen, dass dies ein Projekt sei, das allenfalls in Jahresfrist zu bewältigen sei, wurden beiseite geschoben.
Zu viele Fragen offen
Eigentlich war von Anfang an klar, dass viel zu viele Fragen offen waren, um eine Impfpflicht kurzfristig einzuführen. Wer soll die Pflicht kontrollieren und wie? Muss ein Impfregister, das in Österreich übrigens existiert, eingeführt werden? Wann hat der Bürger, die Bürgerin der Impfpflicht Genüge getan? Nach der zweiten oder nach der dritten Impfung? Oder muss regelmäßig aufgefrischt werden? Auf welche Impfstoffe bezieht sich die Impfpflicht? Und so weiter.
Im Grunde kann die Politik, in diesem Fall die neue Bundesregierung, nur verlieren. Insbesondere, wenn sie den Anschein erweckt, sie würde versuchen, die Impfpflicht innerhalb von drei Monaten umsetzen und damit auch noch die fünfte, die Omikron-Welle brechen. Und da sind noch nicht einmal die verfassungsrechtlichen Bedenken in den eigenen Reihen, namentlich der FDP, berücksichtigt. Ein Spiel, das Olaf Scholz nicht gewinnen kann.
Die durchaus beachtlichen Impferfolge seit Anfang Dezember kommen in der Debatte um die Impfpflicht außerdem kommunikativ unter die Räder. Dabei ist genau dies in der derzeitigen Omikron-Krise das einzige, an dem die Bürger:innen sich festhalten können. Das Einzige, das verspricht, wenigstens die Hospitalisierungen niedrig zu halten. Eine Propaganda der Tat im positiven Sinn. Auch so eine Metaebene.
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