Kaufhaus ohne Zukunft?

Das Kaufhaus scheint in Deutschland am Ende. Liegt es wirklich daran, dass wir alle nur noch online kaufen?

Früher gab es bei Karstadt alles. Jedenfalls fast alles. Stereoanlagen und Schwarzbrot, Farbfernseher und Forellen, Lederschuhe und Lollies, Uhren und Usambaraveilchen, Heringe und Hammer, Nägel und Nippes, Pullover und Papageien, Hackfleisch und Heizlüfter, Waschlappen und Weiße Ware, Fahrräder und Filetsteaks, Badelatschen und Butter. Ein echter Vollsortimenter eben. Nur wer ein Auto oder eine Immobilie kaufen wollte, war hier falsch. Reisen aber zum Beispiel gab es bei Karstadt. Bei Kaufhof, Hertie oder Horten sah es kaum anders aus – auch dort: Full House.

Markenschema F drängt Waren aus dem Haus

Eine Galeria-Filiale sortiert sich heute nach Marken. Alles, was nicht in das Markenschema passt, ist längst rausgeflogen. Lebensmittel, Unterhaltungselektronik oder Werkzeug sucht man in aller Regel vergebens. Und es wird nicht besser werden, wenn wie angekündigt, in diesem und im kommenden Jahr, weitere 52 Galeria-Filialen schließen. Übrig bleiben in diesem Horrorszenario am Ende nur noch die hochgezüchteten Markenerlebnishäuser nach dem Muster KaDeWe, Alsterhaus und Oberpollinger.

Und damit dreht es sich im Kreis. Das Angebot wird immer fokussierter, die Kundschaft immer wählerischer. Kommt vielfach nur noch zum „Shoppen“, sprich „Gucken“, „Ausprobieren“ oder „Gesehenwerden“. Früher konnte gleichberechtigt zwischen vorhandenen Angeboten einer Warenkategorie gewählt werden. Heute muss ich als Kunde das mit der Markenlogik auf mich zielende Marketing detektieren und durchdringen, um für mich zu einem befriedigenden Ergebnis kommen zu können.

Großstädte ohne Kaufhaus

Und den Innenstädten ist sowieso nicht geholfen mit der Handvoll verbleibender Luxusmarkenhäuser. Eine Stadt wie Lübeck mit rund einer Viertelmillion Einwohner wird demnächst kein klassisches Kaufhaus mehr vorweisen können. Der ehemalige Karstadt schließt. Ebenso wenig Neuss. Millionenstädte wie Hamburg oder München behalten nur noch eine Handvoll Filialen vornehmlich in 1A-Lagen. Der Rest verfällt oder wird zerlegt. In Co-Working-Spaces. Oder Pop-up-Shops. Oder flexible Ausstellungsflächen. Aber das wird nicht immer gelingen. Für manch städtisches Umfeld eine Katastrophe.

Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, dass zu einem Zeitpunkt, da Deutschlands letzte verbliebene Kaufhaus-Kette in ihren Filialen voll auf die Markenlogik setzt, selbst nur noch eine schwache Marke ist. Karstadt kannten alle. Ich selbst konnte den Schriftzug im Alter von fünf Jahren, bevor ich in der Schule war, „lesen“ – denn Logo und Schriftzug waren in Innenstädten sowie Werbung omnipräsent. Auch Kaufhof und Hertie, mit Abstrichen Horten und Wertheim, waren starke Marken. Aber Galeria? Nein. Erklärungsbedürftig.

Natürlich müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen. Wann war zum Beispiel ich zuletzt bei einem Karstadt, Entschuldigung Galeria? Und habe ich etwas gekauft? Oder nur die WC-Infrastruktur genutzt? Die Bilanz ist nicht gut. Natürlich kaufe online ein. Der Preis- und Warenvergleich ist einfach unschlagbar. Es ist also unvermeidlich, dass Amazon, Ebay, Otto & Co. dem stationären Handel und damit auch den Kaufhäusern Kundschaft abjagt.

Dennoch bin ich überzeugt, dass die nicht vorhandene Strategie auf Seiten des Galeria-Konzerns, etwa die schlecht umgesetzte Markenstrategie in den Häusern und die nicht vorhandene Markenstrategie des Hauses nach außen, die Krise entscheidend verschärft. In anderen Industrieländern ist die Lage der Kaufhäuser auch bei weitem nicht so dramatisch wie in Deutschland.

Vorbild Hermannplatz?

Wie will, ich bin immer versucht „Karstadt“ zu schreiben, wie will Galeria die verbleibenden Häuser sichern? Neben den drei oben erwähnten Tophäusern in Berlin (KaDeWe), Hamburg (Alsterhaus) und München (Oberpollinger), von Eigentümer René Benko längst gesellschaftsrechtlich ausgegliedert, soll es eine Regionalstrategie richten. Die Galeria-Häuser sollen mehr Eigenständigkeit erhalten und etwa ihrem konkreten Umfeld passendere Angebote machen.

Es gibt ein Haus, das diese Strategie schon länger fährt. Das traditionsreiche ehemalige Karstadt-Haus am Hermannplatz am Brennpunkt von Berlin-Kreuzberg und Berlin-Neukölln scheint damit erfolgreich zu fahren. Es ist auch das letzte Haus, das ich ausgiebig nutzte, als ich 2017 vor Ort wohnte. Für den alltäglichen Einkauf, für Butter und Badaccessoires, Fisch und Fleisch, Bücher und Brot, Obst und Gemüse. Vielleicht doch die letzte Chance?

Frank Behrens

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert