Der Ermöglichungsminister

Woche eins der Berliner Ampelkoalition. Die neue Regierung sortiert sich. Während es um Kanzler und Superminister ruhig bleibt, sieht sich FDP-Chef Christian Lindner als Ermöglichungsminister.

Ermöglichungsminister wolle er genannt werden, sagte Christian Lindner in der Nikolauswoche. Jener Woche, in der die erste Ampelkoalition auf Bundesebene unter Leitung des dritten Hamburger und vierten SPD-Kanzlers Olaf Scholz die Arbeit aufnahm und die immer noch von der Pandemie geprägt ist. 

Ermöglichen wolle er insbesondere Projekte für den Klimaschutz, ließ der neue FDP-Finanzminister durchblicken. Hat es ihn doch härter getroffen als angenommen? Dass er in weiten Teile der Öffentlichkeit auf seinem Traumposten als künftiger Verhinderer von Klimaschutz, Nachhaltigkeit und ökologischem Fortschritt wahrgenommen wurde? Ausgerechnet er. Der Chef einer Partei, die jahrelang versuchte für die Grünen, nun Partner im Ampelbündnis, das Label „Verbotspartei“ durchzusetzen, ein Verhinderer? Das darf nicht sein.

Der Ermöglichungsminister findet 60 Milliarden für’s Klima

Ermöglichungsminister Lindner also. Und wie um dieses neue Label zu rechtfertigen, gräbt der frisch gebackene Finanzminister am ersten Freitag im Amt 60 Milliarden Euro aus. Sein Nachtragshaushalt bedient sich dabei nicht benötigter Rücklagen für die Corona-Krise aus dem ablaufenden Jahr 2021 – von den Beamten des Finanzministeriums „Kreditermächtigungen“ genannt. Und wohin soll das Geld fließen? In den Transformations- und Klimafonds der neuen rot-grün-gelben Bundesregierung. Geht doch, möchte man sagen. Und hoffen, dass es mehr ist als Symbolpolitik. Vielleicht gar Einsicht in das Notwendige?

Symbolisches hat zu Beginn einer neuen politischen Ära natürlich seinen Platz. Etwa wenn der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) mit dem Fahrrad aus dem Bundestag zur Ernennung ins Schloss Bellevue zum Bundespräsidenten radelt. Und zurück, vorbei an den schweren, schwarzen Staatskarossen der Kolleg:innen. Schnellster. Manch Journalistenkollege mutmaßte angesichts der Bilder, Deutschlands erster migrantischer Minister werde sich mit seinem demonstrativen Akt nicht nur Freunde im Kabinett machen. Und das einem, der vielleicht der geborene Außenminister gewesen wäre. Jedenfalls eher als Landwirtschaftsminister. Aber hier gilt das Gleiche wie beim Ermöglichungsminister: Auf die Langstrecke kommt es an.

Bundesaußenministerin wurde Annalena Baerbock (Grüne). Damit gelang ihr etwas, das ihr bei einer erfolgreichen Wahl zur Bundeskanzlerin nicht gelungen wäre: ein Novum. Noch nie wurde Deutschland auf dem internationalen Parkett von einer Frau vertreten. Ob das etwas zu bedeuten hat, bleibt auch hier abzuwarten. Allerdings versäumte es auch Baerbock nicht, gleich in der ersten Woche Symbolisches zu liefern. 

Symbolakte: Baerbock und Özdemir

Nachdem sie noch am Abend ihrer Ernennung von Berlin nach Paris zum Antrittsbesuch gejettet war, setzte sie sich am folgenden Tag in den Zug. Der TGV brachte sie aus der französischen Hauptstadt in die Europa-Kapitale Brüssel. Wann war zuletzt ein deutscher Spitzenpolitiker per Zug zum Staatsbesuch gereist? Die Bilder lassen spontan an Konrad Adenauer und die fünfziger Jahre denken. Genaueres Nachdenken ruft Kanzler Helmut Schmidt und seinen Besuch in der DDR in Erinnerung. Dezember 1981, genau 40 Jahre ist das her. Erich Honecker hatte dem Hamburger zum Abschied ein Bonbon durchs Zugfenster gesteckt. Das geht im vollklimatisierten TGV nicht mehr.

SPD: Die neue Troika steht

Womit wir wieder beim dritten Hamburger und vierten SPD-Kanzler wären. Um ihn blieb es ruhig. Wie auch um den dritten Ampel-Alpha: Robert Habeck aus Flensburg, den neuen grünen Klima-Wirtschafts-Superminister. Das muss nichts Schlechtes sein. Habeck ist es in erster Linie, der die Erwartungen nicht nur aus der grünen Partei nach einer neuen, endlich erfolgreichen Klimapolitik wird erfüllen müssen. Scheitert er, wäre es sicher das politische Aus für den ewigen Sonnyboy. 

Währenddessen arrondierte der SPD-Bundesparteitag am heutigen Samstag die Machtverhältnisse in der Sozialdemokratie. Mit dem bisherigen Generalsekretär und neuen Co-Parteichef Lars Klingbeil ist der konservative Seeheimer Kreis nun auch wieder in der Parteispitze der SPD vertreten. Spannend wird zu sehen sein, wie der neue linke Generalsekretär Kevin Kühnert mit dieser Gemengelage umgeht. Persönlich passt zwischen ihn und Klingbeil ja dem Vernehmen nach kein Blatt. Politisch hingegen sind sie einigermaßen weit auseinander.  

Frank Behrens

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