Zur politischen Lage

Der Außenminister ist ein unaufgeregter Mann. Entsprechend seines Arbeitsprofils ist er jüngst nach Syrien gereist, um sich persönlich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.

In Syrien tobte bis vor kurzem Bürgerkrieg – fast 14 Jahre lang. Involviert waren Russen, Amerikaner, Türken, Iraner und andere. Inzwischen hat ein islamistischer Warlord dem alten, von Russland und Iran gestütztem Diktator Baschar al-Assad die Macht entrissen. Manche sagen, der Warlord sei ehemals islamistisch. Andere sagen, er habe seiner Ideologie nicht abgeschworen. Genau weiß es keiner.

Der Außenminister berichtete, was er in Syrien sah. Massive Zerstörungen in einem Wohnvorort der Hauptstadt Damaskus. Kaum ein Stein auf dem anderen. Es sei schwierig, Exilanten in diese Trümmerwüste zurückzuschicken, berichtete Johann Wadephul: „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.“ So der christdemokratische Außenminister.

CDU-Bundestagsfraktion: Empörung über eigenen Außenminister

Sofort setzte eine breite Empörungswelle in der CDU, der Partei des Außenministers, wie in konservativen Medien ein. Die Aussagen könne man so nicht stehen lassen. Natürlich müsse nach Syrien abgeschoben werden. Die Äußerungen seien unverantwortlich. Den Vogel schoss wahrscheinlich CDU-Fraktionschef Jens Spahn ab, der sagte, es sei die „patriotische Pflicht der Syrer“, ihr Land wieder aufzubauen. So wie es die Deutschen nach 1945 getan hätten.

Selbst wenn man alle historischen Unterschiede zwischen Deutschland 1945 und Syrien 2025 außer Acht lässt, kann diese Äußerung nur verwundern. Instinktiv möchte man Jens Spahn fragen, ob es nicht seine patriotische Pflicht wäre, sich dem Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre zu stellen und gegebenenfalls den Rückzug aus der Politik zu erwägen. Immerhin hat der damalige Bundesgesundheitsminister mit seinen undurchsichtigen Maskendeals einen Schaden von rund dreieinhalb Milliarden Euro verursacht. Steuerzahlermilliarden.

Die Einsparungen, die die schwarzrote Koalition in Berlin etwa bei den ins Visier genommenen Bürgergeldbeziehern realistisch wird einheimsen können, sind nur ein Bruchteil des Spahn-Minus. Das Plündern der Armen mag ideologisch stimmig sein, die großsprecherisch verkündeten, aber nur herbeiphantasierten Ergebnisse bringt es nicht. Alles Lüge.

Vor der CDU-Bundestagsfraktion konkretisierte Wadephul am Dienstagabend noch einmal seine Eindrücke aus Syrien: Die Verwüstungen vor Ort seien „schlimmer als in Deutschland 1945“. Ungenannte Abgeordnete lassen sich nun mit „schlimm“ und „desaströs“ zitieren, um ihren Eindruck vom eigenen Außenminister zu beschreiben.

Bundeskanzler meldet sich aus Golfurlaub

Zwischenzeitlich hatte sich auch der Bundeskanzler, frisch aus dem erfolglos geheim gehaltenen mallorquinischen Golfurlaub zurückgekehrt, zu Wort gemeldet. Es gäbe da überhaupt keine Differenzen, hieß es von Friedrich Merz, natürlich wolle die übergroße Mehrheit der Syrer in ihre Heimat zurückkehren.

Tatsächlich? Woher hat der Bundeskanzler sein Wissen? Mit seinen Aussagen schafft er es, immer neue Fragen aufzuwerfen. Sollen nun alle Syrer abgeschoben werden? Auch die gut integrierten? Erste CDU-Hinterbänkler legen Konzepte für derart umfassende Remigrationsprogramme – und um nichts anderes handelt es sich – vor. Oder geht es doch nur um Straftäter und Gefährder? Das bleibt unklar.

Ebenso, wie es in den vergangenen Wochen unklar blieb, was Merz mit seiner Äußerung in Potsdam bei SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke genau meinte, es gäbe da „noch ein Problem mit dem Stadtbild“. Das aber der Bundesinnenminister mit Abschiebungen in großem Stil lösen werde. Drei Tage später die Ergänzung auf Nachfrage eines Journalisten: „Fragen Sie Ihre Töchter, die wissen genau, worum es geht.“ Massenhafte Distanzierungen junger Frauen von Bundeskanzler Merz waren die Folge. In den sozialen Medien, auf den Straßen. Noch ein paar Tage später erläuterte und verteidigte der Kanzler seine nebulösen Äußerungen.

Während Merz über das Stadtbild räsonniert, legen CDU-Abgeordnete Remigrationspläne vor

Der Schaden ist angerichtet. Millionen Migrantinnen und Migranten in Deutschland, zu einem großen Teil gut integriert, fragen sich, ob sie hier noch erwünscht sind.

Unterdessen bietet Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), also der Mann, der laut Merz das deutsche Stadtbild retten soll, ehemaligen in Pakistan gestrandeten afghanischen Ortskräften der Bundeswehr, die aus guten Gründen nach Deutschland ausgeflogen werden sollen, ein Bestechungsgeld dafür, wenn sie doch wieder nach Afghanistan zurückkehren. Zu jenen Taliban, mit denen der Innenminister seit Wochen über die Abschiebung von in Deutschland lebenden Afghanen verhandelt.

Andere Baustelle: Das 1,5-Grad-Ziel der Pariser Klimakonferenz ist mittlerweile gescheitert. Chinesische Autobauer, deren Namen vor einem Jahr noch niemand kannte, fassen mittlerweile mit günstigen, funktionierenden E-Autos auch im deutschen Markt Fuß. Wie sieht die Antwort der Bundesregierung auf die ökologisch-ökonomische Herausforderung aus? Die Klimaziele müssen aufgeweicht werden, damit die deutsche Autoindustrie ihr anachronistisches Geschäftsmodell auch über das dieses Jahrzehnt hinaus retten kann.

Klimaziele werden dem Verbrenner geopfert

Dass dies weder die deutsche Autoindustrie noch das Klima retten wird, sondern im Gegenteil sowohl den Niedergang von Volkswagen, Daimler und BMW sowie die Klimaerwärmung beschleunigen wird, ist das Waterloo der christdemokratischen Wirtschafts- und Umweltpolitik.

Die Realität wird tapfer ausgeblendet. Die Ideologie bestimmt die Politik der Regierung Merz. Und was sagt die SPD dazu? Wie schon in der Ampel, als die FDP die richtigen Politikansätze reihenweise samt und sonders mit Verweis auf Haushaltslage und Schuldenbremse schredderte: nichts.

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