Im Paralleluniversum

Angetreten eine Lücke im Parteiensystem zu schließen, wittert das Bündnis Sahra Wagenknecht eine Verschwörung gegen sich.

Klaus Ernst tut ganz unschuldig. Auf die Frage, warum Parteigründerin, -chefin, -namensgeberin und Spitzenkandidatin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Sahra Wagenknecht, am Wahlabend nur wenige Minuten präsent gewesen sei, zuckt er mit den Schultern. Er verstehe die Frage gar nicht, sagte er dem Morgenmagazin, die Co-Parteivorsitzende Amira Mohamed Ali sei doch anwesend gewesen. Auf die erneute Nachfrage meint Ernst zum Thema Sahra Wagenknecht: „Das interessiert doch nur die Medien.“

Ein Interview wie aus dem Paralleluniversum. Immerhin hatte Wagenknecht für den Fall des Ausscheidens aus dem Bundestag selbst das Ende ihrer politischen Karriere angekündigt. Ernst, den die IG Metall Bayern wegen seiner Abstimmung mit der AfD aus ihren Reihen entfernen will, umschiffte dieses Thema nach dem Motto „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.“

Wagenknecht vor der Bundespressekonferenz

Eine Stunde später, Bundespressekonferenz. Auftritt Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali. Die Parteinamensgeberin macht schnell klar, dass sie sich anders entschieden hat. Sie bleibt in der Politik. Sie bleibt Chefin des BSW. Später wird ihre Co-Vorsitzende dies mit dem außerordentlich knappen Scheitern der Partei an Fünf-Prozent-Hürde erklären. Bei einem Ergebnis von 4,97 Prozent fehlten nur rund 13.000 Zweitstimmen für einen Einzug in den Bundestag.

Fast ihre gesamte Redezeit vor der Bundespressekonferenz nutzt Wagenknecht jedoch dazu, sich darüber zu beklagen, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht ungerecht behandelt worden sei. Neue Parteien hätten in Deutschland fast keine Chance, das erste Jahr zu überstehen. Die Medien hätten von Anfang gegen das BSW geschossen. Sie als „Pro-Putin-Partei“ geframed. Je länger der Wahlkampf gedauert habe, umso stärker der mediale Gegenwind.

Benachteiligung durch Umfrageinstitute?

Und: Die Umfrageinstitute hätten das BSW ebenso von Anfang an benachteiligt. Insbesondere das Institut Forsa hebt Wagenknecht hervor. Das hatte in einer letzten Befragung das BSW bei lediglich drei Prozent verortet. „66 Prozent unter dem erzielten Ergebnis. Das ist weit außerhalb der Fehlertoleranzen“, schimpft Wagenknecht. Und eventuell ein Punkt, der „justiziabel“ sei.

Auch den Umstand, dass zahlreiche Auslandsdeutsche nicht rechtzeitig ihre Briefwahlunterlagen bekamen, will Wagenknecht juristisch prüfen lassen.

Parallel streute der BSW-Europaabgeordnete ausgerechnet auf Elon Musks Plattform X ebenfalls den Verdacht, dass beim knappen Scheitern des BSW nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könne. Ebenso Holger Onken, Chef des Oldenburger BSW. Und Ehemann von Amira Mohamed Ali. Das BSW ist eben auch ein bisschen Familienunternehmen.

Amira Mohamed Ali und das BSW auf Seiten des US-Imperialismus

Schon am Wahlabend hatte Co-Chefin Amira Mohamed Ali einen skurrilen Auftritt in der Berliner Runde von ARD und ZDF zu absolvieren. Die ehemals linke Anwältin saß ganz links, links noch von Linksparteichef Jan van Aken, wie eine Ritterin von der traurigen Gestalt. Denn sie musste ertragen, von der Runde nicht nur als Vertreterin einer Putinpartei, sondern schlimmer noch, als implizite Verteidigerin des sich gerade neu manifestierenden US-Imperialismus betrachtet zu werden. Schließlich hatte Sahra Wagenknecht einige Tage vorher Donald Trumps Verhandlungsinitiative in der Ukraine gelobt.

Außenministerin Annalena Baerbock als Vertreterin der Grünen machte zudem deutlich, dass sie Mohamed Ali und Alice Weidel dabei in einem Boot sieht.

Wie reagierte Klaus Ernst auf die Anwürfe seiner ehemaligen Kollegen der IG Metall Bayern, er habe in den vergangenen Jahren die Seiten gewechselt? „Das ist eine Beleidigung“, zitiert ihn die Münchner Abendzeitung, „Unerträglich“ seien die Vorwürfe. Keine guten Tage für das Bündnis Sahra Wagenknecht, das angetreten war, eine vermeintliche politische Lücke im Parteienspektrum zu schließen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert